Ehebruch / Betrogen worden

Ehebruch gehört zu den schlimmsten emotionalen Verletzungen, die einem Menschen im Erwachsenenalter zustoßen können – und es ist eine Verletzung auf vielen Ebenen. Nicht nur zerstört sie die vertrauensvolle Grundlage zu einem Menschen, der zuvor integral zum eigenen Lebensentwurf gehört hat. Der Ehebruch löst oft auch enorme Selbstzweifel aus: Zweifel an der eigenen Attraktivität, plötzlich als Naivität empfundenes Vertrauen, Zweifel, ob man genug in die Beziehung investiert hat – oder eben zu wenig.

Dem Ehebruch voraus geht immer das Versprechen der Treue, der körperlichen wie der seelischen. Hier liegt auch oft das Problem. Grundsätzlich empfinden nicht beide Partner nach einem Ehebruch das Gleiche. Im schlimmsten Fall betrachtet der fremdgehende Partner seinen Vertrauensbruch als weit weniger verletzend, als er vom betrogenen Partner empfunden wird – sei es, weil er ihn als rein körperliche, unemotionale Affäre abtut, sei es, weil er sich als „dazu getrieben“ begreift. Beides kann tatsächlich der Fall, aber eben auch ein Prozess der Verdrängung der eigenen Schuld sein.

Tatsächlich ist dies jedoch nicht das momentan Ausschlaggebende. Viele betrogene Ehepartner beginnen unmittelbar nach Bekannt werden des Betrugs die Schuld bei sich zu suchen. In vielen Fällen wechselt dieses selbstverletzende Verhalten sich auch mit einer Vorwurfshaltung gegenüber dem Partner ab. Beides ist kontraproduktiv, wenn auch schwer zu unterdrücken. In jedem Fall die beste Ausgangsposition für eine Auflösung des Konfliktes – ob er nun in Trennung endet oder in einem Neuanfang – ist die absolute und schonungslose Ehrlichkeit und Offenheit beider Partner. Ist der untreue Partner nicht in der Lage, den Umfang seines Vertrauensbruches einzusehen, oder versucht weiterhin, sich mit Lügen aus der Affäre zu ziehen, gibt es keine Grundlage für den Beginn einer fruchtbaren Auseinandersetzung. Dieses sollte dem betrogenen Partner ganz klar sein. Sollte dies der Fall sein, tut der betrogene Partner gut daran, sich zunächst einzig um seine eigene psychische Gesundheit zu kümmern.

Dies ist in jedem Fall unabdingbar. Jeder Betrug stellt eine Infragestellung des eigenen Selbst dar – denn bewusst oder unterbewusst provoziert er die Frage „Bin ich meinem Partner nicht mehr genug?“. Diese Frage führt in eine Falle – denn kein Mensch kann dem anderen je „genug“ sein. Aber jeder Partner kann sich dafür oder dagegen entscheiden, den Alternativen und Ergänzungen, die sich zum Bestehenden bieten (und das tun sie jeden Tag; nicht umsonst spielt das Thema der Versuchung in allen Weltreligionen eine so dominante Rolle) nachzugeben, und damit einen Treuebruch in Kauf zu nehmen, oder eben nicht. Diese Entscheidung, und das ist die zentralste Einsicht in einem Heilungsprozess nach Ehebruch, liegt alleine im Partner begründet. Sie hat nichts damit zu tun, ob man attraktiv, erfolgreich, wohlhabend, fleißig „genug“ war oder nicht. Dennoch empfindet man selbst es so; und diese Empfindung gilt es als erstes zu korrigieren.

Danach erst kann man sich die objektiven Fragen stellen: War dieser Ehebruch ein Symptom für eine Schieflage in unserer Ehe? Haben wir Dinge schleifen lassen oder gänzlich vernachlässigt, die für den Partner ultimativ für sein Lebensglück sind, und deren Reflexion er nun woanders gesucht hat? Habe ich mich so verändert, dass mein Partner in mir schlicht nicht mehr den Menschen erkennt, dem er das Eheversprechen gegeben hat? Und: Können wir diese Prozesse, so sie denn stattgefunden haben, revidieren? Wollen wir das überhaupt? Ist zwischen uns noch genug an Liebe, genug an emotionalem Potenzial, um zu einem gemeinsamen Glück zurückzufinden? All das sind relevante und notwendige Fragen, die irgendwann gestellt werden müssen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies oft am besten in einer Paartherapie funktionieren kann.

Zuvor aber hat der betrogene Partner die Verpflichtung gegenüber sich selbst, von der ihm zugefügten Verletzung zu genesen. Diese Heilung darf nicht wiederum abhängig gemacht werden vom Verhalten des Betrügenden, vom Ausmaß seiner Reue, seinen Entschuldigungen, seinen Bemühungen, seiner Kommunikationsbereitschaft oder aber umgekehrt seinem Unwillen, ein Fehlverhalten einzugestehen. Damit würde sich die Abhängigkeit vergrößern, eine Abhängigkeit oft auch finanzieller Natur, deren Ausmaß vielen Partnern – vor allem Frauen – erst durch die gedanklichen Prozesse nach einer Untreue klar wird. Stattdessen muss ein Selbstheilungsprozess eingeleitet werden.

Wenn das erste Gefühl nach dem Ehebruch blanke Wut ist, die in einem Bedürfnis nach sofortiger Trennung resultiert, sollte diese nicht kommuniziert werden. Wichtig ist, sich stattdessen sofort seinen eigenen Raum zu suchen, oder diesen für sich selbst einzufordern. Aus der ersten Verletzung heraus sollten keine endgültigen Entscheidungen getroffen werden. Besser ist es, sich jemand zu suchen, mit dem man reden kann, der einfach nur zuhört, ohne zu urteilen – sei dies eine gute Freundin, die diskret ist, oder eine auf Paarprobleme spezialisierte Psychologin. Auch der unverbindliche Besuch bei einem Scheidungsanwalt kann therapeutisch sein. Es ist wichtig, seine Rechte als Ehepartner zu kennen, um nicht aus den falschen Gründen oder Existenzängsten zum Partner zurückzukehren. Wenn dann der erste Emotionsfluss verebbt ist, darf man keinesfalls seine komplette Zeit in die ewige Wiederholung der immer gleichen Gedanken investieren. Stattdessen sollte in gewisses zeitliches Kontingent dafür definiert werden, dass sich aber mit einer anderen Aufgabe genau die Waage hält: Der nämlich, Gutes für sich, und nur für sich zu tun.

Nach einem Ehebruch ist es unmöglich, so weiter zu machen wie zuvor. Stattdessen müssen sich zwei Menschen auf einer neuen Ebene finden (sollte sie sich dazu entschließen), und eine neue Art von Beziehung aufbauen. Auf beides, das Ende oder einen Neuanfang, muss der Betrogene als ganzer, seinen Wert kennender Mensch zugehen können. Es hilft, Tagebuch zu führen, auch wenn man dies zuvor noch nie getan hat. Sich in Gruppen mit anderen zu treffen die ähnliches erlebt haben, oder im Internet darüber zu kommunizieren. Gut ist es auch, sich in einer Kunstform auszutoben, seien es große Gemälde, tanzen gehen, Gedichte schreiben oder was auch immer das Gefühl vermittelt, die eigenen Emotionen zu etwas Kreativem, Wertigen umzugestalten.

Erst wenn der betrogene Partner sein Selbstbewusstsein wieder aufgebaut hat, sich seiner Autonomie bewusst ist, sich von inneren Abhängigkeiten und irrationalen Ängsten hinsichtlich des Lebens nach einer Trennung befreit hat, kann es zum Beginn einer gemeinsamen Lösungssuche kommen. Manchmal ist das Ergebnis dieses Selbstfindungsprozesses auch der feste Entschluss zu einer Beendigung der Ehe. Doch selbst dann sollte man eine Aussprache in Betracht ziehen, die eigenen Fehler aufdecken und die entfremdete Handlungsweise des anderen verständlich machen kann.

Die 10 häufigsten Fehler die Beziehungen zum Scheitern bringen:

Warum sind manche Menschen in einer glücklichen Beziehung und andere nicht? In unserem kostenlosen E-Mail Coaching beantworten wir diese und andere Fragen rund um die Themen Partnerschaft und Beziehung. Wir möchten, dass auch Du glücklich wirst. Hier geht es weiter.

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert