Eine Ehe ohne Liebe zu führen, widerspricht dem emotionalen Sinn einer intimen Gemeinschaft. Sicher kann es Gründe geben, eine sachliche Zweck-Ehe zu führen, z.B. um gesellschaftlicher oder steuerlicher Vorteile willen. Da aber die Liebe zwischen zwei Menschen in der Regel überhaupt erst den Anlass bildet, sich auf Lebenszeit zusammen zu schließen, ist die Fortführung einer solchen Beziehung ohne Liebe einfach ihrer Triebkraft beraubt und verliert für beide Seiten ihre Attraktivität.
Eine Ehe ohne Sex führen ist dagegen gar nicht so abwegig, wie es insbesondere junge Leute meinen. Sie können sich nur einfach nicht vorstellen, dass im Alter der Sexualtrieb nachlässt, wobei dafür unterschiedliche Parameter gelten. Die Ehe ohne Sex ist zumindest im Rentenalter die Regel, mithin also keine verschwindende Minderheit, sondern eine Realität unserer Gesellschaft. Trotzdem sind diese Beziehungen glücklich. Sie bewahren ein riesiges Potenzial an Gemeinsamkeiten und glücklichen Gefühlen, die für das Paar das Zentrum ihres Lebens darstellen. Dieses Modell der Ehe ist zudem für alle anderen Paare interessant, die sich auch ohne Sex intensiv voneinander angezogen fühlen.
Liebe ist nicht gleich Sex
Diese Formel ist bekannt, wird aber in der Konsequenz kaum zu Ende betrachtet. Das ist umso erstaunlicher, als die Anti-These „Sex ohne Liebe“ schon seit Menschengedenken praktiziert wird und als gesellschaftliche Erfahrung anerkannt ist. In den Einstellungen der Menschen ist die Vorstellung von einer Liebe ohne Sex durchaus vorhanden. Nach einer Umfrage, die der „Focus“ veröffentlichte, spielt Sex nur für 16 % der deutschen Paare eine überragende Rolle. 6 % sind überhaupt nicht an Sex interessiert. Fast ein Drittel der Deutschen, die in einer Beziehung leben, haben über lange Zeiträume keinen Sex miteinander – sind aber an nichts anderem so brennend interessiert wie an der Fortführung dieser Beziehung. Die Vorstellung von der Ehe als sexueller Dauerzustand wird eher durch die Werbung und die Behandlung des Themas „Sex“ in den Medien genährt. Denn natürlich ist Sexualität auch reiner Genuss, erhöht die Lebensfreude und verursacht herrliche Gefühle. All das sind Argumente, mit denen sich Waren und Leistungen erheblich besser verkaufen lassen als durch akribische Produktbeschreibungen. Die Emotionalisierung der Konsumwelt lässt sich durch erotische Komponenten am besten realisieren. Das wahre Leben indes sieht anders aus.
Liebe und Sex sind Definitionsfragen
Den Mythos von der Liebe als zwanghafte körperliche Vereinigung hat der antike Philosoph Sokrates geschaffen. Jedenfalls ist das von ihm überlieferte „Symposion“ die älteste Aufzeichnung, in der dieses Thema als Lehrmeinung behandelt wird. Dass sich der große Denker, wie damals üblich, auch einer mythischen Erklärung bedient, macht die ganze Geschichte nur noch sympathischer. Das ursprüngliche Wesen Mensch, durch den Zorn der Götter in zwei Hälften getrennt, irrt durch die Welt, um seine verlorene Hälfte zu finden. Wenn sich die beiden finden, umschlingen sie sich und versuchen, ihren ursprünglichen gemeinsamen körperlichen Zustand wieder herzustellen. Das ist sicher eine der anrührendsten Geschichten, die in der Menschheitsgeschichte zum Thema „Liebe“ erdacht worden sind. Da Platon aber auch explizite beschreibt, wie die Götter nach der Körperteilung die menschlichen Geschlechtsteile sehr praktisch für die körperliche Wiedervereinigung auslegten, ist die physische Komponente der Liebe hier das dominierende Element. Gleichwohl ist der antike Denker aber auch als Urheber der heute noch so genannten „Platonischen Liebe“ bekannt, also einer Art zu lieben, die sich selbst aus der Ferne (und damit berührungslos) realisieren lässt. Zwischen diesen beiden Extremen also ist Liebe möglich, und sie lässt sich auch nicht in „geistige“ und „körperliche“ Liebe trennen. Jede erotische Wahrnehmung beginnt im Kopf und körperliche Liebe ist auch einer ideellen Beziehung zuträglich.
Für eine Ehe ohne Sex ist daher wichtig, wie die Partner Liebe und Sex definieren.
Treat me right – jeder Mensch will auf eine bestimmte Art geliebt werden
So wie alle Ansichten im Leben, verändert sich mit zunehmendem Alter auch die Einstellung zur Liebe. Im täglichen Leben eines jungen Paares stellt sich schnell heraus, dass die trügerische Harmonie der Werbung nur wenig mit Haushalt, Kindern und Beruf zu tun hat. Andere Erfordernisse bestimmen den Alltag und bilden über längere Zeiträume die Vorstellung davon aus, was wichtig ist. Die schöne Formel „Ich liebe Dich“ ist dann keine schillernd schwebende Seifenblase mehr, sondern muss sich mit konkreten Pflichten und Hilfen für den Partner beweisen. Aus dem Lippenbekenntnis wird harte Arbeit und die Zurücknahme eigener Wünsche. Kinder werden ein dominierendes Thema, die berufliche Karriere, die Sicherheit für die Familie. Beide Partner entwickeln sich, und es ist der Normalfall, dass diese Entwicklung nicht parallel verläuft. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, die Karriere im Zenit ist und die Besitztümer einen erfreulichen Stand erreicht haben, können viele Paare nur noch wenig miteinander anfangen. Sie sind nicht mehr die gleichen wie vor 20 Jahren. Sie sind souverän geworden und wissen nun genau, was sie wollen – auch in der Beziehung. Mit einem anderen Partner, der ähnliche Werte entwickelt hat, kann die zweite Lebenshälfte noch einmal richtig interessant werden.
Ehe ohne Sex – ein Modell für die zweite Lebenshälfte
Biologisch ist der Mensch eigentlich nur für 40 Jahre Lebenszeit ausgelegt. Die Zivilisation hat den Prozess der Alterung verzögert, so dass heute die durchschnittliche Lebenserwartung in der Industriegesellschaft über 70 Jahre beträgt. Viele Menschen sind heute nicht mehr bereit, auch die zweite Lebenshälfte in der hergebrachten Form zu verbringen, nur weil es sich in ihrer Jugend einmal so ergeben hat. Sie wollen diese wertvollen Jahre nach den Maßstäben verbringen, die sie in ihrem bisherigen Leben ausgebildet haben. Und sie wollen dafür den richtigen Partner.
Die Übereinstimmung der Werte ist ausschlaggebend. Das trifft für eine Auswanderer-Ehe genau so zu wie für eine Ehe ohne Sex. Wenn beide Partner darin übereinstimmen, dass ihre Interessen auf völlig anderen Gebieten liegen und sie sich in diesen Bereich viel mehr geben können, ist die Beziehung mit den besten Chancen auf glückliche Harmonie ausgestattet. Sex ist dafür nicht notwendig. Das heißt nicht, dass es keine körperliche Intimität gibt. Die Berührung durch einen anderen Menschen, die körperliche Nähe, vertraute Gesten und Blicke sind in einer Ehe ohne Sex eben so vorhanden, ja zuweilen viel intensiver ausgeprägt als in Ehen mit Sex. Das „Mehr“ an Zuneigung ergibt sich durch die Übereinstimmungen in vielen ideellen Fragen und durch Aktivitäten, die für beide Partner wichtig sind.
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