Um es gleich vorweg zu schicken: Auch unverheiratete Paare können zu einer Eheberatung gehen. Grundsätzlich geht es nur darum, dass ein Paar sich als langfristig einander verbunden sieht, und dass die aufgetauchten Probleme von beiden Partnern wahrgenommen und besprochen werden möchten. Gleiches gilt übrigens auch für gleichgeschlechtliche Paare in einer ähnlich verbindlichen Beziehung.
Ein Fehlurteil liegt auch in der Annahme, zur Eheberatung ging man erst, wenn wirklich alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, und eine Trennung beziehungsweise Ehescheidung ansonsten unvermeidlich wird. Ganz das Gegenteil sollte der Fall sein. Wenn zwei Menschen die erste, unkritische Phase des Verliebtseins hinter sich gelassen haben, und an deren Stelle die in ruhigeren Fahrwassern schwimmende Liebe getreten ist, fängt auch die Zeit der gegenseitigen Kritik an. Das ist normal und überhaupt kein Grund, am Fundament oder der Machbarkeit der Beziehung an sich zu zweifeln. Es ist ganz im Gegenteil einer der Urgründe für jede Partnerschaft, dass die Intensität der Verbindung auch das Kritikwürdige im Gegenüber zum Vorschein bringt, damit dieser aus der Spiegelung seines Partners lernen und seine eigene Persönlichkeit reifen kann. Natürlich gehen mit diesem Prozess Unsicherheiten, Meinungsverschiedenheiten und manchmal auch Verletzungen einher, die zu Streitsituationen führen können.
Entscheidend ist dann für den weiteren Verlauf der Paargemeinschaft, ob beide Partner in ihrer eigenen Biographie die Möglichkeit hatten, eine konstruktive und rücksichtsvolle Streit-, Kritik- und vor allem Kommunikationskultur herauszubilden. Denn nur wenn Letzteres vorhanden ist, sind die Paare in der Lage, ihre Verletzungen und Enttäuschung auf eine nicht aggressive Weise zu verbalisieren und daran gemeinsam zu arbeiten. Sehr oft zeigt sich dabei, dass eben dies nicht der Fall ist. Nun ist Kommunikation ein erlernbares Tool. Deshalb kann eine Ehe- oder Paarberatung schon sehr früh in einer Beziehung angebracht und nützlich sein, dann nämlich, wenn beide Partner feststellen, dass sie in bestimmten Punkten einfach „aneinander vorbei reden“ oder ihre respektiven Streitkulturen sich so voneinander unterscheiden, dass die dritte, neutrale Ebene eines Therapeuten oder Beraters der richtige Platz ist, um ein gemeinsames Kommunikationsfeld zu entwickeln.
Leider sehen dies die wenigsten Paare so. Meist wird die Möglichkeit einer Eheberatung erst in Betracht gezogen, wenn es bereits jahrelang zu Verletzungen und enttäuschten Erwartungen gekommen ist. Selbst dann jedoch ist es nicht zu spät, einen Verständigungsprozess einzuleiten, solange beide Parteien dazu Bereitschaft zu zeigen. Oft ist es jedoch so, dass nur einer der beiden Partner einen so großen Leidensdruck verspürt, dass er die Notwendigkeit für eine Eheberatung sieht, während der Andere sich dieser Möglichkeit verschließt. Auch das ist kein Grund zu Resignation; zu so gut wie allen Eheberatungen kann auch einer der beiden Partner zunächst alleine gehen und das Problem schildern. Der Berater wird dann mit dem Ehepartner gemeinsam nach Lösungsansätzen suchen, wie die andere Hälfte doch zu einem Gespräch eingeladen werden kann. Dies muss zunächst gar nicht in einem tatsächlichen Besuch zu zweit münden. Eine andere Alternative sind auch die sogenannten Zwiegespräche, die in der Intimität des eigenen Zuhauses geführt werden können, und deren Ergebnisse dann während der Sitzung auch von einem der Partner besprochen werden können.
Dennoch ist die idealste Situation natürlich ein gemeinsamer Besuch bei der Beratung. Manchmal hilft auch der Hinweis darauf, dass es sich dabei nicht um den Beginn einer Paartherapie handelt. Viele Menschen empfinden den Besuch bei einem Psychologen immer noch als einen Angriff auf ihre geistige Gesundheit, den sie entrüstet zurückweisen. Dann hilft es oft, die Eheberatung eher als eine Möglichkeit des Coachings zu verstehen, in der auf neutralem Terrain lediglich die Fakten auf den Tisch kommen und zusammen nach dem besten, weiteren Weg geforscht wird. Hierfür ist es alles entscheidend, nicht mit einem Berg an Schuldzuweisungen in die Sitzung hineinzugehen. Spürt man in sich eine solche aufgestaute Wut, ist es empfehlenswerter, diese erst in einer Einzelsitzung abzubauen, und sich Empfehlungen für ein faires Gespräch abzuholen, damit die erste Sitzung bei der Eheberatung zu einer fruchtbaren Erfahrung für alle Beteiligten wird, die wiederholt werden möchte.
Übrigens müssen finanzielle Erwägungen keinen Hinderungsgrund für die Inanspruchnahme einer Eheberatung sein. In den meisten Städten gibt kostenlose Angebote, die entweder von den Familieneinrichtungen der Kirchen oder der kommunalen Verwaltung initiiert sind. Man kann sich bei der telefonischen Terminvereinbarung danach erkundigen, ob und in welchem Umfang die Gespräche christlich oder anderweitig ideologisch ausgerichtet sind, und sich dann für ein Angebot entscheiden. Manchmal allerdings können diese Termine eine längere Wartezeit mit sich bringen. In der Zwischenzeit ist es wichtig, die Situation nicht noch weiter eskalieren zu lassen. Oft hilft aber auch die reine Tatsache, dass ein Termin anberaumt ist, schon, die Aggressionsspitzen zu nehmen.
Wer sich auf eine Eheberatung einlässt, trifft immer eine richtige und auch mutige Entscheidung. Der damit in Gang gesetzte Prozess ist nicht immer leicht, wird aber in fast allen Fällen als Verbesserung gegenüber zuvor empfunden. Allerdings muss man sich darauf gefasst machen, Seiten am Partner zu sehen, und mit Krisenursachen konfrontiert zu werden, derer man sich zuvor nicht bewusst war – bei sich, und beim Partner. Oft glauben beide, zu wissen, wo die Probleme liegen. Ein guter Berater wird aber im Gespräch versuchen, hinter diese offensichtlichen, meist reziproken Vorwürfe zu den tatsächlichen Wurzeln der Probleme vorzudringen, die an erstaunlichen Stellen der Psychen beider Partner angesiedelt sein können. Häufig werden nicht ausgesprochene Erwartungen aufgedeckt und versteinerte Vorurteile angekratzt. Erfahrenen Beratern gelingt es, die Ehepartner diese Entdeckungen selbst machen zu lassen. Sie fungieren als Moderator des Gespräches, nicht als Lösungsanbieter – zumindest in den ersten Sitzungen.
Manchmal führt die Eheberatung auch zur Aufnahme von Einzeltherapien der Partner. Denn in vielen Fällen sind Ehekrisen bedingt durch lange in den Biographien jedes Einzelnen zurück liegenden Begebenheiten wie die vorgelebte Ehe der eigenen Eltern. In diesem Fall kann die Eheberatung die sensiblen Punkte herausarbeiten und Empfehlungen für Therapieformen und das weitere Vorgehen geben. Sehr wichtig ist es, auch in diesem Fall das Konzept der Schuld eines der beiden Partner zu vermeiden – selbst wenn diese offensichtlich zu sein scheint, wie im Fall von einseitigem Ehebruch oder klaren Vertrauensbrüchen. Meist sind diese eine unbewusste Reaktion auf schon länger schwelende, durch beider Verhalten hervor gerufene Verletzungen und Enttäuschungen. Wichtig ist es, in die Eheberatung auch all das mit hineinzutragen was man an Liebe und Zuneigung dem anderen gegenüber noch empfindet; denn dies ist die Basis eines jeden Neuanfangs.
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