Minderwertigkeitskomplexe sind vor allen Dingen eines: Sie sind normal. Jeder Mensch hat sie in irgendwelchen Bereichen. Manchmal stärker, manchmal schwächer. Und manchmal sehr gut verborgen. Aber selbst die extrovertiertesten Individuen haben ihre Schwachpunkte und gehen oftmals durch ihre Art nur einfach offensiver damit um. In einer Beziehung sind die Minderwertigkeitskomplexe allerdings nicht mehr nur das Problem dessen, der sie selbst hat, sondern auch eine Herausforderung für den Partner oder die Partnerin.
Vom Gefühl, einfach nicht gut genug zu sein
Minderwertigkeitskomplexe haben ihren Ursprung in dem Gefühl irgendwelchen Ansprüchen nicht zu genügen. Und dieses Gefühl lässt sich in der schnelllebigen, leistungsorientierten und oftmals oberflächlichen, modernen Welt leicht entwickeln. Diese Art von Selbstzweifeln können sich auf Äußerlichkeiten wie die Figur, die Proportionen und das generelle Erscheinungsbild beziehen, das nicht dem allgemeinen Ideal zu entsprechen scheint. Aber sie können auch geistiger Natur sein. Beispielsweise, wenn man auf der Arbeit Ansprüchen nicht genügt oder wenn das Gefühl entsteht, emotionalen Erwartungen nicht zu entsprechen. Und natürlich gibt es besonders in einer Beziehung noch den sexuellen Bereich, in dem sich leicht das Gefühl entwickeln lässt, auf irgendeine Weise nicht gut genug zu sein. Oder zumindest schlechter als die Vergleichsmöglichkeiten.
Das teuflische an Minderwertigkeitskomplexen ist, dass sie auf einer eigenen Vermutung über die Einschätzung anderer basieren. Sie werden aus Selbstzweifeln oder sogar aus ganz berechtigter Selbstkritik geboren und weiten sich dann aus. Und am Ende werden sie zu einem Teufelskreis, in dem immer mehr infrage gestellt wird, ob man als Person überhaupt insgesamt genügt.
Besonders schlimm ist dieser Effekt in einer Partnerschaft, wo die Partner einander umso besser kennen, je länger sie zusammen sind. Anfängliche Zweifel werden hier zwar vielleicht thematisiert, aber die Reaktion des Partners fällt nicht entlastend aus, weil das Gegenüber die Brisanz der Sorge gar nicht versteht. Statt Bestätigung und Ermutigung zu erhalten, bekommt man nur vermeintliche Floskeln zu hören. Und die tragen nicht dazu bei, die Komplexe zu bekämpfen, sondern verstärken sie eher noch, weil das Gefühl entsteht, sogar der Partner würde einer „ehrlichen Einschätzung“ ausweichen.
Diese Schere entsteht allerdings im eigenen Kopf. Und um Minderwertigkeitskomplexen zu begegnen, ist es wichtig, sich das bewusst zu machen. Um ein wirklich ernstes und offenes Gespräch über eine Sache zu führen, die Selbstzweifel verursacht, muss man zunächst einmal dem Partner vermitteln, dass man über etwas Wichtiges sprechen will. Eine subtil und beiläufig gestellte Frage über die Figur oder die Einschätzung des Anderen zum eigenen Bildungsstand oder Arbeitseifer führt zu einer ebenso beiläufigen Antwort, weil es sich um ein beiläufiges Gespräch handelt. Ernsthaftigkeit kommt nicht von allein, sondern muss eingefordert werden, wenn der Partner gerade nicht darauf vorbereitet ist.
Akzeptanz und Verständnis anstelle von Ignoranz
Der Umgang mit den Minderwertigkeitskomplexen des Partners oder der Partnerin kann manchmal sehr schwierig sein. Vor allem, weil es oftmals sehr schwierig ist, den Kern des Problems überhaupt zu erkennen.
In einer Beziehung sind Nähe und Vertrauen wichtige Faktoren. Und davon ausgehend sollten Zweifel und Komplexe etwas sein, worüber offen gesprochen werden kann. Aber dabei wird gerne vergessen, dass der Partner oder die Partnerin zugleich der Mensch ist, die vom Betroffenen am allermeisten beeindruckt werden wollen. Jeder Mensch möchte eine gute Figur vor anderen machen und einen positiven Eindruck hinterlassen. Insbesondere vor dem Partner. Und das macht es so schwierig, die – aus eigener Sicht größten und schlimmsten – Schwächen einzugestehen und zu thematisieren.
Nicht nur Männern fällt es – dem Klischee entsprechend – leicht, auf bestimmte Fragen des Partners ausweichend zu antworten. Der Klassiker ist hier die Frage nach der Figur. Niemand käme auf den Gedanken, in diesem Fall Zweifel anzumelden und einen Streit zu riskieren. Dabei ist eine solche Frage oftmals Ausdruck eines tiefsitzenden Problems – eines Minderwertigkeitskomplexes. Und vom Partner wird nun ein Bekenntnis erwartet, dass er oder sie den anderen akzeptieren und lieben, selbst wenn die Selbstkritik berechtigt sein sollte. Für die meisten Leute ist das eine Selbstverständlichkeit und keiner großen Erwähnung mehr wert. Aber genau hier liegt der Trugschluss, denn wenn etwas wichtig genug ist, um vom Partner thematisiert zu werden, dann ist es auch eine klare und deutliche und vor allem ernst gemeinte Antwort wert.
Der Partner als der Mensch, der den Unterschied macht
Beim Umgang mit Minderwertigkeitskomplexen in einer Beziehung ist es wichtig, sich in den Partner hineinzuversetzen. Was den anderen gerade immens belastet, mag für einen selbst eine fast schon lächerliche Kleinigkeit sein. Nicht einmal der Rede wert oder sogar etwas, was man selbst tatsächlich anziehend findet. Aber den Partner quält es. Und es ist dieses Gefühl, das bekämpft werden will.
Selbstzweifel müssen nicht verstanden werden, um dem Partner dabei zu helfen, ihnen zu begegnen. Sie müssen nur als etwas akzeptiert werden, das tatsächlich ist. Sie sind keine Hirngespinste, sondern ein Ausdruck von Furcht. Davor, den Ansprüchen der Welt, denen von Freunden und Familie, vor allem aber denen des Partners nicht mehr zu genügen.
Unabhängig davon, ob an einem Minderwertigkeitskomplex etwas dran ist oder nicht – was wirklich eine Rolle spielt ist, ob die Liebe des Partners dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird. Deswegen sollte man seine eigenen Ängste und Zweifel der Person, die einem am Nächsten steht gegenüber ansprechen und bereit sein, sich in gleichem Maße die Komplexe des Partners anzuhören. Und statt sie beiseitezuschieben, weil man sie selbst nicht als gravierend betrachtet, sollte man sich darauf konzentrieren, dem Partner zu vermitteln, wie wertvoll er ist. Und wie wenig sich diese Dinge auf das Gefühl von Liebe und Zuneigung auswirken. Und dass man bereit ist, einen Teil der Last mitzutragen. Denn darum geht es schließlich in einer Beziehung: um geteilte Freude, geteiltes Leid und eben auch geteilte Sorgen.
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