Seelenverwandtschaft

Die Vorstellung der Seelenverwandtschaft ist höchstwahrscheinlich so alt wie das menschliche Denken über die Seele an sich; es gibt in jeder bekannten Mythologie Beispiele für Seelenverwandtschaften – und selbst rationale Philosophen wie Platon haben die Metapher von den zwei getrennten Seelen bemüht, deren Sein motiviert ist von dem Streben danach, wieder zusammenzufinden.

Es ist schwer zu sagen, ob die den meisten Menschen innewohnende Sehnsucht nach einem Seelenverwandten, einem Menschen, der uns ganz versteht – oder aber das tatsächliche Phänomen der erlebten Seelenverwandtschaft ausschlaggebend für die Prägung des Begriffes war. Tatsache ist aber, dass es immer wieder Berichte von Seelenverwandtschaft gibt, und durch die Jahrhunderte und Kulturen kontinuierlich gegeben hat. Interessant ist, dass diese – ob wohl Gegenteiliges leicht anzunehmen wäre – durchaus nicht immer von Esoterikern oder Poeten gemacht wurden. Auch sehr vernunftgesteuerte, sachliche Menschen berichten von diesem Erlebnis. Zwar auf die ihnen eigene, schnörkellose Weise, aber unverkennbar im Hinblick auf das Erleben und die Symptome.

Eines der Grundmerkmale der Seelenverwandtschaft zwischen zwei Menschen ist, dass sie sofort erkannt wird – und zwar innerhalb weniger Momente der Unterhaltung, oft sogar nur durch das reine Betrachten der Person, beziehungsweise ihre physische Anwesenheit. Im Gegensatz zu den einem gesellschaftlich vorgegebenen Lauf eines Gespräches, das sich vom Small Talk langsam über biografische Details bis zu intimeren Mitteilungen entwickelt, sind die Gespräche von Seelenverwandten durch eine unmittelbare und sofortige Intimität und Vertrautheit gekennzeichnet, die ein relativ schonungslose Offenheit und die Mitteilung privatester Details schon beim ersten Zusammentreffen möglich macht. Die ist kennzeichnend begleitet von dem alle Zweifel negierenden Gefühl, den anderen schon „ewig zu kennen“.

Hinzu kommen sehr häufig charakterliche und erstaunlicherweise auch biografische Parallelen in der bisherigen Lebensführung der Seelenverwandten. Oft liegen die Geburtstage nahe beieinander, oder sind auf andere Weise astrologisch eng miteinander verknüpft. Allerdings sollte man sich besonders bei Letzterem nicht durch astrologische Konstruktionen beeinflussen lassen; die meisten Geburtstage können sinnvoll verknüpft werden. Im Falle von Seelenverwandtschaften sind die Zusammenhänge oft sehr klar und ohne umfangreiche Berechnungen zu erschließen.

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist das Gefühl unbedingten Vertrauens in den Anderen, dass durch keine gemeinsam verbrachte Zeit in dieser Intensität zu rechtfertigen wäre. Im Austausch mit dem Anderen taucht oft das Gefühl des „Sich-Wiedererkennens“ auf; nicht im Sinne einer narzisstischen Spiegelung, sondern eher im Gefühl von Reflexion der eigenen Erfahrung durch die Erfahrung des Gegenübers.

Auch die Kommunikation kann überraschend – und manchmal schockierend – non-verbal ablaufen. Oft sind Seelenverwandte in der Lage, am Blick oder der Mimik des anderen dessen Gedanken abzulesen, und zwar selbst dann, wenn diese recht komplex sind. Hierzu gehört auch, dass der Blickkontakt sehr intensiv sein kann und als direkter Blick in die Seele des Gegenübers erlebt wird. Trotz dieser manchmal fast wortlosen Kommunikation wird die Unterhaltung mit dem Anderen als außerordentlich erfüllend wahrgenommen, und die gemeinsam verbrachte Zeit oft auch ohne explizite Aktivität als intensiv. Diese Art der fast telepathischen Wahrnehmung wird auch von anderen beobachtet und bestätigt.

Die Intensität der Begegnung mit einem Seelenverwandten, und die Umkehrung aller bis dahin gültigen Strategien des Kennenlernens und Vertrautwerdens kann eine verstörende Wirkung auf die Beteiligten haben. Nicht selten resultieren diese in ein zunächst instinktives Bedürfnis zum Rückzug, besonders wenn es sich um sehr diskrete, private und zurückgezogene Menschen handelt. Es geschieht allerdings so gut wie nie, dass diese Distanz langfristig aufrecht gehalten wird – zu stark ist das Bedürfnis nach der Entdeckung des Gegenübers und der Findung des Selbst in ihm. Genauso selten kommt es vor, dass nur einer von zwei Menschen das Erlebnis einer Seelenverwandtschaft hat, während der andere nichts spürt. Meistens ist es in diesen Fällen eine Art von Verliebtsein bis hin zur Fixierung, die oft narzisstisch geprägt ist, und lediglich projiziert wird.

Interessant ist, dass die Seelenverwandtschaft zwischen Menschen verschiedenen und gleichen Geschlechts stattfinden kann und mit den Anfängen einer Liebesbeziehung nichts zu tun hat. Zwar können sich Partnerschaften aus Seelenverwandtschaften ergeben, sie müssen es aber in keiner Weise. Auch ein großer Altersunterschied kann vorliegen, sowie kulturelle und soziale Verschiedenheiten. Aufgrund der Seltenheit des Phänomens kann das Begegnen eines Seelenverwandten mit dem Verlieben verwechselt werden – meist klärt jedoch ein Gespräch und eine Introspektion diese Verwechslung auf.

In der Esoterik wird dieses Erleben der Seelenverwandtschaft mit dem Vorhandensein einer Dualseele oder Zwillingseele erklärt. Meist werden hier schon die Umstände des Aufeinandertreffens als ungewöhnlich und der Zeitpunkt als schicksalhaft beschrieben. In vielen Interpretationen ist er auch als „Wendepunkt“ definiert, was eine Art Determination der Begegnung zu einem Zeitpunkt nahe legt, zu dem die Beteiligten besonders sensibilisiert sind, oft ohne es selbst wahrzunehmen.

Zwillingseelen werden oft mit dem asiatischen Symbol des Yin und Yang analogisiert: So wie im Yang ein kleiner Anteil des Yin inselartig und vollkommen umhüllt liegt, so ist es umgekehrt auch mit dem Kontrapart Yang. Gleichartig tragen Dual- oder Zwillingseelen einen winzigen Teil einer anderen Seele als integralen Bestandteil ihrer selbst mit sich. Über die Herkunft dieser Verwurzelung des Selbst im Anderen gibt es verschiedenen Meinungen; viele davon beziehen sich auf das Phänomen der Reinkarnation, andere auf das Vorhandensein von metamorphischen Feldern. Wieder andere sehen das Begegnen der Seele mit ihrer Ergänzung als einen Akt der Vervollkommnung auf dem Weg zur vollständigen Entfaltung des Selbst hin zu einem höheren Wesen. Es gibt auch Ansätze, die Seelenverwandtschaft in eine Karma-Lehre zu integrieren, und die Begegnung als teil eines karmischen Prozesses zu begreifen.

Unabhängig von diesen Erklärungsansätzen scheint die allen Seelenverwandtschaften innewohnende Gemeinsamkeit die Erfahrung einer Ganzheit, Heilung und Vervollkommnung des Selbst durch ein Anderes zu sein. Dieses verbleibt beiden Seelenverwandten unabhängig davon, ob sie einander ein Leben lang, eine Zeit lang oder auch nur sehr kurz begleiten. Faszinierenderweise werden die räumlichen Trennungen von Seelenverwandten – selbst wenn es unklar ist, ob diese für immer sind – oft als nicht schmerzlich beschrieben, so als sei ein Teil des anderen immer noch sehr präsent vorhanden. Der Tod wiederum wird als außerordentlich schmerzhaft erlebt, oft beschrieben als das „ein Teil von einem selbst“ verschwindet. Dennoch geht auch die Todeserfahrung bemerkenswerterweise nicht mit der Art von Depression oder Verbitterung einher, mit der dem Tod von Liebespartnern oder Familienmitgliedern oft begegnet wird.

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Comments

  1. Ute says

    Vielen Dank für diesen überaus informativen Artikel! Ich konnte diese Seelenverwandtschaft mit meinem Partner erfahren, mit dem ich nun seit 4 Jahren zusammen bin. Zunächst war es unheimlich zu sehen, dass wir uns in vielen Dingen so gleichen und uns sogar ganze Sätze vorwegnehmen konnten. Ich habe so etwas zuvor noch nie erlebt. Ich bin mir sicher, dass es sich um eine Seelenverwandschaft handelt.

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